Sie kamen aus dem Ritz. Es war ein milder Abend, und sie setzen sich auf eine Bank in der Fußgängerzone.
Eine Gruppe von jungen Machos kam vorbei und einer, der ein großes SM auf die Lederjacke gesprayed hatte, vergaffte sich in sie.
"Wie soll man jemanden lieben, der immerzu solch ein Geschmeiß anzieht?" fragte Wolfgang Mareen.
"Was kann ich dafür, daß ich angekuckt werde?" fragte Mareen.
"Was kann ich dafür, daß wir nie unter uns sind?" fragte Wolfgang.
"Du brauchst nicht mit mir weggehen." sagte Mareen.
"Ich will aber mit Dir weggehen", sagte Wolfgang. "Ich mag Deine Gesellschaft. Es ist ja bloß so, daß ich in Dich verliebt bin."
"Und da geht es also nicht, daß Du die Typen einfach ignorierst?"
Der Macho mit dem SM-Schriftzug war stehengeblieben, weil er gemerkt hatte, daß sie sich stritten. Er kam herüber.
"Habts ihr Ärger? Will dieser Typ was von Dir?" fragte er Mareen.
"Was hab ich gesagt?" sagte Wolfgang. "Einfach ignorieren, haha, wie denn? Meinst Du, die haben ein Gefühl für Stil oder Takt? Die sehen Deine blonden Haare und Deine Figur. Ist das Normalität, wenn man mit Dir durch die Stadt geht?"
"Ja bitte!" sagte Mareen, "mich hats bisher noch nicht gestört. Meinst Du, ich würde mich auf sowas einlassen?"
"Was weiß ich?", sagte Wolfgang. "Wenn man jeden Tag hundertmal die Chance dazu hat, ist einmal weiß Gott nicht oft."
Der SM-Typ war irritiert und verzog sich wieder.
"Und wie hast Du mich kennengelernt?" fragte sie. "Nicht auch, weil Du mich hübsch fandest?"
"Du weißt selber, daß wir uns durch die Mitfahrgelegenheit kennengelernt haben. Nicht weil ich Dich angemacht habe, sondern weil wir im gleichen Ort wohnen und ich ein Auto habe, haben wir uns kennengelernt."
"Aber Du hast die Preise für mich so niedrig gemacht, daß ich immer mit Dir mitgefahren bin."
"Aha", sagte er, "findest Du? Ich sag Dir mal was: meine Preise waren für alle gleich, die mitgefahren sind. Selbst für Markus."
"Ja klar, aber für den hattest Du ja bald keinen Platz mehr im Auto." sagte Mareen.
"Ja und? Sollte ich euch beide verkuppeln? Immerhin hatte ich das Gefühl, daß vor allem wir beide uns sehr amüsant unterhalten hätten. Aber ich hatte im geschlossenen Auto wohl einen falschen Eindruck von den witzigen Dialogen mit Dir bekommen. Denn im Alltag ist man ja nicht allein mit Dir. Und selbst, daß ich im Auto keinen mehr mitnehme, wirfst Du mir vor. Wir sind nicht wirklich ein Liebespaar, oder?"
"Spinnst Du? Ich meine aber nur, daß Deine ewige Abschottung zu nichts führt. Wieso ist es denn nicht möglich, daß wir mal ein paar neue Leute kennen lernen und uns trotzdem gut unterhalten und uns gern mögen. Wieso sollte das nur möglich sein, wenn wir uns von allem ausschließen?"
"Ganz einfach. Weil es kein Gespräch gibt, wenn Du dabei bist. Daß es jeder mit Dir probieren möchte, ist ja normal. Daß Dir das schmeichelt, ist auch normal. Aber was soll ich dann dabei? Zukucken, wie sich ein Flirt entwickelt? Und wenn sich keiner entwickelt, dann den Unterhalter spielen? Sorry."
"Mir scheint, Du kannst an nichts anderes denken."
"Wie sollte ich? Ich sehe Dich ja vor mir. Du siehst umwerfend aus - aber kann man so jemanden lieben? Und geschminkt hast Du Dich auch noch! Du bist ein öffentliches Geschöpf. Deine Schönheit ist für jeden, und Du achtest auch noch sehr genau drauf, daß sie voll zur Geltung kommt. Wir können froh sein, daß nur ab und zu ein Blödmann sich hertraut."
"Jetzt wirf es mir noch vor, daß ich Lippenstift nehme! Du gehst doch auch mit einer anderen in die Schreibwerkstatt, und ich lebe damit."
"Du mußt nur gegen eine ankommen, ich muß gegen alle antreten, die Dich überhaupt sehen. Meine Aufgabe ist ungleich schwerer. Jeder, der da rumläuft, könnte witzig sein oder Dich in einer schwachen Minute erwischen oder einfach das Richtige sagen."
"Wer sagt mir, daß Du nicht auf der Straße fremde Frauen ansprichst?"
"Weil ich Achtung vor ihren Freunden habe. Es ist stillos, auf der Straße Frauen anzusprechen, doch bei dir sehe ich, daß es tausende trotzdem tun."
"Echt strange. Du sagst, Du hast Achtung vor ihren Freunden und sprichst sie deshalb nicht an? Ich glaube es nicht, daß Du so etwas albernes sagst." sagte sie.
"Ich bin diese Problematik langsam wirklich leid", sagte Wolfgang, "können wir nicht heimfahren und eine Nacht darüber schlafen. Vielleicht ist mein einziger Ausweg ja wirklich der, daß ich dich mit einer Laubsäge umbringe."
"So kurz vor dem Vordiplom?" meinte Mareen. "Das wäre albern."