Franquin, das ist die erste Begegnung mit der völligen Ausgelassenheit und Enthemmung der komischen Kunst, welche anfangs wie ganz selbstverständlich aufgenommen wurde, denn Comics haben ja lustig zu sein, und diese Comics waren sehr lustig, also wo ist das Problem;
- um im Laufe der Bereicherung durch immer mehr Lektüre im
humoristischen Bereich als zunehmend besonders prekär und als Ausnahme betrachtet werden mußte. Hier gibt es dieses Zuviel, dieses Surplus an Kreativität, und allzu leicht kommen sie daher, das Zuviel und dann noch das Surplus; die immer neuen Aspekte und Einfälle in der Geschichte Gastons etwa, die immer noch einmal neue Wendungen einführten und dann noch einmal. Diese unerschöpfliche Verschwendung von Phantasie und Witz wurde nie wieder so erlebt wie bei Franquin.
(Erst später kam die Monty-Python-Erfahrung durch die TV-Serie und durch die zahlreichen Spielfilme dazu, aber hier stand nicht die Befreiung durch das Lachen im Vordergrund, sondern die Verfremdung der Welt ins Komische. Zahlreicher waren die Stilmittel bei Monty Python, aber sehr viel weniger gab es dort das reine, echte Amüsement des Lachenmüssens.)
Die Frage, wie das nur so gehen kann mit dem unerschöpflichen Einfallsreichtum, der sich selbst aus immer neuem Witz erfindet, konnte bald beantwortet werden durch den Umstand, daß Franquin in seiner Ausnützung seines komischen Talentes bald mit dem Umstand des Gegenteils konfrontiert wurde, durch die Depression, die als deformation professionelle ganz nachvollziehbar ist als das dialektische Gegenspiel zu dem, womit er Erfolg hatte. Auch hier wurde er produktiv, indem er den bande dessiné "Schwarze Gedanken" zeichnete. Auch hier wieder diese vollkommene Intensität, und zwar im inhaltlichen Gegenteil, das der tiefsten Depression. Aber schon vorher wurde in Gaston Lagaffe der depressive Charakter vom besten Freund Gastons eingeführt, dessen unzähligen erfolglosen Versuche, sich aufheitern zu lassen, enorm komisch waren. Und was versuchte Gaston nicht alles.
Franquin verspottete die eigene Depression und baute sie ein in die weitläufige Welt seines Humors, eine Tiefe der dialektischen Welterklärung erreichend, die nicht mehr im Comic Platz hat, wohl aber seinen Platz findet. Auch hier ist die Ausgelassenheit der Kunst, die alles in sich aufnimmt, und auch vor dem Gegenteil nicht halt macht, im Bereich des Genialen angekommen.
Verträge schließen, Parkuhren bedienen, Haustiere besitzen, in der Arbeitszeit für den Arbeitgeber arbeiten - alles wird zu einer Frage der anarchischen Revolution, die all dies torpediert und das Chaos im Guten fördert.. Heute wirkt das alles noch unfaßbarer als es schon damals war, als Gaston Lagaffe erschien. Und das Lachen darüber, die Details der Anarchie in tausend Beispielen wirken zu sehen, ist das befreiendste Lachen, das es gibt. Und in diesem Fall bleibt es immer gleich frisch, weil es das Gegenteil, die gesellschaftliche Frustration, gleich miterörtert.
Zu den großen inhaltstragenden Erscheinungen in der französischen Literatur (Stendhal, Flaubert) und im französischen Film (Rohmer) tritt im Bereich Comic Franquin hinzu, jener unsagbare Glücksfall für dieses Genre.